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Haushühner und Haustauben sind wie die meisten Vögel, hochentwickelte Augentiere. Sie verfügen über eine erweiterte spektrale Perzeption, da sie auch im UV-Wellenlängenbereich sehen können. Vögel sind daher geeignete Modellorganismen zur Untersuchung von Farbpräferenzen. Ältere Studien an Hühnern und Tauben konnten zeigen, dass es angeborene und erlernte Farbpräferenzen gibt. Jedoch fehlt der bisherigen Literatur ein übergreifender Untersuchungsansatz der Art, Rasse, Alter und Geschlecht mit einschließt.
Adulte Tiere und Jungtiere der Hühnerrasse Ostfriesische Möwe und der Taubenrassen Genter Kröpfer und Brieftaube wurden auf ihre Präferenzen gegenüber den Farben Rot, Weiß, Blau und Grün in einem open-field, einem standartisierten, in der Verhaltensforschung häufig angewandten Testverfahren, untersucht. Die Farben wurden aus dem normierten RAL-Farbsystem ausgewählt. Um die Farbpräferenzen der untersuchten Tiere zu ermitteln wurden farbige Platten in das openfield eingesetzt. Durch die Aufenthaltsdauer [sec] der Tiere in den einzelnen Farbbereichen konnten Rückschlüsse auf mögliche Farbpräferenzen gezogen werden.


Abb1. Adulte Ostfriesische Möwen im Außengehege -  Abb2. Genter Kröpfer Paar mit Jungtier  - Abb3. Brieftaubenpaar in ihrer Nistzelle


Abb4. Experimentalraum mit open-field und - Abb5. Computer Adulte Ostfriesische Möwe im open-field

Es konnte ein Einfluss der Art und des Alters auf die Farbpräferenzen der Tiere gezeigt werden. Die Jungtiere der Ostfriesischen Möwen präferierten die Farben Rot und Weiß. Wohingegen die adulten Ostfriesischen Möwen keine Präferenzen für die untersuchten Farben zeigten. Die Jungtiere beider Taubenrassen hatten Präferenzen für die Farbe Blau, im Gegensatz dazu präferierten die adulten Brieftauben die Farbe Grün. Bei der Taubenrasse Genter Kröpfer zeigte sich ein Geschlechterunterschied dahingehend, dass die männlichen Genter Kröpfer die Farbe Grün und die weiblichen Genter Kröpfer die Farbe Rot präferierten. Alle gezeigten Präferenzen waren unabhängig von der Lichtbedingung, mit oder ohne UV-Anteil, unter der die Tiere getestet wurden.


Abb6. Aufenthaltsdauer [%] der Jungtiere beider Taubenrassen einzelnen Farbbereichen (Sterne markieren Signifikanzen)
Abb.7 Aufenthaltsdauer [%] der adulten Brieftauben in den einzelnen Farbbereichen (Sterne markieren Signifikanzen)

Die Präferenzen der Jungtiere der Ostfriesischen Möwen für Rot und Weiß lassen sich durch die Literatur erklären, in der gezeigt wurde, dass bei Hühnerküken die Präferenz für Rot angeboren ist, wohingegen die Präferenz für Weiß auf Gewöhnungseffekten beruhen kann, z.B. die Unterbringung in einem weißen Stall. Erfahrungen und Extensivhaltung der adulten Ostfriesischen Möwen können dazu geführt haben, dass angeborene Präferenzen überlagert wurden. Die Präferenzen für die Farben Grün und Blau bei den Tauben decken sich mit früheren Untersuchungen an Stadttauben. Bei den Genter Kröpfern zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede in den Farbpräferenzen, dabei präferieren die männlichen Genter Kröpfer, wie die adulten Brieftauben, die Farbe Grün, wohingegen die weiblichen Tiere Rot präferierten. Unterschiedliche Farbpräferenzen innerhalb der Geschlechter konnten bereits bei anderen Vogelarten, wie zum Beispiel den Zebrafinken, festgestellt werden, wobei weibliche Zebrafinken ebenfalls die Farbe Rot gegenüber Grün präferieren.
Das unterschiedliche Verhalten in Bezug auf Farbpräferenzen bei Tauben und Hühnern kann durch die unterschiedliche Lebensweise erklärt werden. Hühner sind ausgesprochene Lauftiere und leben in sozialen Gruppen mit einem Hahn und mehreren Hennen, wohingegen Tauben gute Flieger sind, die weite Strecken zurücklegen können und in Paaren leben, das einzelne Taubenpaar bildet dabei die Grundeinheit des sozialen Verbandes. Aufgrund dieser verschiedenen Lebensweise kann vermutet werden, dass Farben bei Hühnern und Tauben einen unterschiedlichen Stellenwert einnehmen.

Christina E. Engel